Zweiklassenarbeit

Das ominöse Gebilde “die Wirtschaft” hat einen neuen Vorstoß bezüglich der Ausweitung der maximalen Arbeitszeit getätigt. Nach dem Motto “darfs a bisserl mehr sein” strebt man eine Erhöhung auf 12h/Tag an, das sind 60 h/Woche. Begründet wird das mit dem Erhalt des Wirschaftsstandortes Österreich – was auch immer das genau heißen soll – und damit, daß das ja bloß eine Vorsorge für den absoluten Notfall sein soll.

Eh klar.

Der Kiebitzer, als Techniker, hat diesbezüglich keine einschlägige Erfahrung, aber irgendwann in den ganzen Jahren auf der WUNI muß doch in irgendeiner Vorlesung wenigstens einmal das Wort “Überstunden” gefallen sein, oder? Gut, das ist ein häßliches Wort, da müßte man den Leuten ja glatt mehr bezahlen, das täte dem Wirtschaftsstandort wahrscheinlich nicht so gut… Ein anderes Wort vielleicht, “Gleitzeit”? Sie verstehen, heute ein bissi mehr, dafür morgen ein bissi weniger? Ist nicht in allen Branchen machbar, auch klar. Die meisten gutbezahlten Jobs haben eh schon völlige Gleitzeit, und die paar Produktionsbetriebe die es in Österreich noch gibt, fahren im 3-Schicht Betrieb – da steigt die Produktivität auch dann nicht wenn man zwei Hanseln vor die gleiche Maschine stellt. Und 12 h Schichten wird die Gewerkschaft da nie im Leben zulassen.

Also, worum geht’s bei der Sache? Um den Handel natürlich. Da arbeiten lauter Frauen, notorisch schlecht ausgebildet, notorisch teilzeitbeschäftigt, notorisch unterbezahlt, notorisch auf der Suche nach mehr Einkommen. Die können weder anders, noch sich wehren, also kann man da die Daumenschrauben ruhig ein bißchen fester anziehen und die ordentlich schuften lassen.

Und jetzt ein kurzer Blick auf die andere Seite: Die EU hat sich gemeldet und besteht jetzt endlich ernsthaft darauf, die Wochenarbeitszeit für Spitalsärzte auf 48h zu senken, das sind ein bißchen mehr als 9,5 h/Tag.

Die Wogen gehen auf beiden Seiten hoch: Auf der einen will man – verständlicherweise – nicht noch mehr arbeiten, auf der anderen – verständlicherweise – nicht auf Einkommen verzichten.

Der Kiebitzer sitzt am Zaun dazwischen und wundert sich. Wieso kann man eine Seite immer mehr ausquetschen, und die andere gleichsam unter eine Schutzglocke stellen? Es ist durchaus klar, daß nach langer Arbeitszeit vermehrt Fehler auftreten, und daß es einen Unterschied macht, ob man nach 10 Stunden noch eine Magenoperation macht oder jemandem eine Leberkässemmel verkauft, Aber das alleine kann’s ja wohl nicht sein?

Der Vollständigkeit halber möchte der Kiebitzer anmerken, daß er noch nie eine Überstunde bezahlt bekommen hat. Sein erster Vertrag in Asien ging von einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden aus. Mindestens. Andererseits hat er völlige Gleitzeit – es stört niemanden wenn er um 3 Uhr geht, weder nachmittags, aber auch nicht nachts…