Sommergespräch 2017 in Schwarz (?): Sebastian Kurz

OEVPDas vierte von den fünf Sommergesprächen dieses Jahres hat Sebastian Kurz geschlagen. Es war auch das erste große Interview von ihm, das der Kiebitzer gesehen hat, und rein als solches nicht uninteressant.

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Über die Neuwahlen im Oktober

Kurz behauptet, obwohl er sich mit der Idee des Parteichef-seins schon länger auseinandergesetzt hat, hätte ihn Mitterlehners Rücktritt überrascht. Außerdem sagt er, seit Jahren gewußt zu haben was falsch läuft in der Partei, und er den Chefposten nur zu seinen Bedingungen wollte. Will heißen: den “Masterplan Kurz” hatte er zumindest als Rohfassung in der Schublade. Auf die Frage nach einer neuerlichen Zusammenarbeit mit der SPÖ (wenn ja, wozu dann Neuwahlen?) gibt er sich vage und verweist auf den Wählerwillen, der vor Koalitionsgesprächen zu kommen hat. Insgesamt belustigend auch seine Bemerkung über einen neuen politischen Stil, nicht auf den Gegner hinzuhauen…

Über das Christliche in der ÖVP

Dazu fallen Kurz spontan so Dinge ein wie Solidarität, Beitrag leisten, Ehrenamtlichkeit. Natürlich gefällt ihm das, kostet den Staat ja nur minimal; was derartige Begriffe direkt mit Christentum bzw. Religion zu tun haben, ist dem Kiebitzer als bekennendem Atheisten allerdings nicht klar. Kurz ist auch ein Fan von Religionsunterricht in den Schulen und sagt, daß man gerade dort österreichische Kultur vermitteln kann. Wenn wir des Kiebitzers eigene Erfahrungen diesbezüglich heranziehen, besteht österreichisch-katholische Kultur also aus Hausaufgaben machen (immerhin), und österreichisch-evangelisch (AB) Kultur aus Bibelverschenauswendiglernen. Schön, daß Kurz den Begriff näher erläutert hat, vielleicht sollte er den HC darüber informieren.

Über Steuerquotensenkung

Kurz möchte die Steuerquote von 43 auf 40% senken und beschwört dabei das Beispiel anderer EU Staaten (und der Schweiz) herauf. Die 12 – 14 Milliarden, die das weniger im Stuersäckel läßt, möchte er einsparen durch: Erstens, das Wirtschaftswachstum. Ach, das kann man heutzuzage als Regierung eines unwesentlichen Kleinstaates schon irgendwo direkt bestellen? Zweitens, die Staatsausgaben nicht über die Inflation steigen lassen. Gut, wie man das aber konkret bewerkstelligt, hat er nicht erwähnt. Und drittens, Einsparungen bei Förderungen, die momentan allein 20 Milliarden im Jahr verschlingen. Daß ca. 14 davon Steuererleichterungen sind und fast der ganze Rest Agrarförderungen, wußte Kurz entweder nicht, oder beschloß, es großzügig zu ignorieren. Ob man aus dem was übrigbleibt wirklich so viele der systemimmanenten Mehrgleisigkeiten eliminieren kann um da ordentlich einzusparen, ist fraglich. Genauso fraglich wie die Millionen an Maßnahmen aussehen sollen, die die Zuwanderung in unser Sozialsystem verringern sollen, und wieviel die bringen.

Über umkehrbare Demokratie im Osten

Die doch ziemlich bedenklichen demokratiepolitischen Entwicklungen in Polen und Ungarn scheinen Kurz – immerhin immer noch unser Außenminister – vergleichsweise kalt zu lassen. Er behauptet zwar, daß er, was Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Frauen- und Medienrechte betrifft, eine klare Meinung hat, und daß er diesbezüglich in einem starken Austausch mit Ungarn steht, aber was genau er oder die EU wirklich unternehmen bzw. überhaupt unternehmen kann, ist er uns schuldig geblieben. Wahrscheinlich wird es so wie mit der Flüchtlingspolitik sein: Es sitzt immer der am längeren Ast, der am lautesten und stursten “Nicht mit mir” skandiert.

Über Grenzkontrollen

Kurz sagt, Grenzkontrollen innerhalb der EU braucht es solange es Flüchtlingsströme gibt, und daß er zuversichtlich ist, daß die Kontrollen über November hinaus ausgeweitet werden. Und man muß ihm absolut Recht geben, daß dieses unbedingte Öffnen der Grenzen und das unkontrollierte Durchwinken ein Fehler war. So lange die Außengrenzen funktionieren, ist das innereuropäisch kein Problem, aber diesen Zustand muß man (wieder) herstellen und unbedingt aufrechterhalten, ja verteidigen. Wer weiß wie viele durchgeschlüpft sind, um sich direkt in den Untergrund zu begeben – was fairerweise nicht heißt, daß das nicht auch mit Kontrollen passiert wäre.

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Fazit: Kurz wirkte sehr entspannt und war wesentlich weniger arrogant als der Kiebitzer das erwartet hat. Allerdings muß man sagen, daß sich Kurz schon sehr gerne selber reden hört. Er ist zwar nirgends direkt ausgewichen – was dem Kiebitzer durchaus positiv aufgefallen ist – aber wenn man bei jeder Frage wieder neu beim Nullpunkt anfängt, kann es dauern bis man endlich im Detail anlangt, was die Geduld von Tarek Leitner – insbesondere beim Wirtschaftsthema – gehörig auf die Probe gestellt hat. Das führte dazu, daß es auf viele gestellten Fragen kaum eindeutige und direkte Antworten gab, und auch dazu, daß gewissen Themen nicht mehr angesprochen wurden: Integration zum Beispiel, dafür ist der Herr ja auch noch zuständig. Ein nettes Interview, aber warum Kurz derartig als Heilsbringer dargestellt wird, hat sich dem Kiebitzer nicht erschlossen.