Der Prozeß gegen den Amokfahrer von Graz ist zu Ende gegangen. Mit einem Urteil, das den Täter für zurechnungsfähig erklärt und zwar mit 8:0 Stimmen der Geschworenen. Der Prozeß als solches hat schon einigen Staub aufgewirbelt – verständlicherweise – und nach dem Urteil sind erst recht die Wogen hochgegangen.
Im Zuge der momentan grassierenden Experteritis wurde noch am Tag der Urteilsverkündung ein gewisser Herr Haller in die ZIB und um seinen Senf gebeten. Nachdem es sich hierbei um den psychiatrischen Gutachter der Verteidigung gehandelt hat (dessen Gutachten auf unzurechnungsfähig lautete), hätte man sich denken können was dabei herauskommt: Ein Rundumschlag gegen die Geschworenen, die als medizinische Laien über etwas komplexes wie (Un-) Zurechnungsfähigkeit aufgrund psychischer Krankheiten nicht zu urteilen hätten.
Den Einwurf, daß sich die Gutachter selber mit 2:1 (2:2 wenn man die Psychologin dazu zählt, aber der hat Haller ja auch die Befähigung abgesprochen), nicht einig waren, hat er weggewischt. Schließlich würde man, wenn sich Ärzte über eine Lungenentzündung streiten, ja auch keine 8 Deppen von der Straße holen um klar zu stellen wer jetzt recht hat. Das ist grundsätzlich richtig, aber dem Vorschlag, nur noch Gutachter bzw. einen einzelnen Richter (der im Normalfall auch nicht Medizin studiert hat) entscheiden zu lassen, kann der Kiebitzer nicht viel abgewinnen.
Erstens weil sich die Gutachter auch nicht einig sein müssen, und wieviele zieht man dann hinzu bzw. wann hört man damit auf – wenn das Ergebnis paßt? Und wem – der Verteidigung oder der Anklage? Und zweitens weil es in der Tat so ist, daß 8 Augenpaare mehr sehen als bloß ein oder zwei, und weil es wesentlich einfacher ist eine Einzelperson zu beeinflussen als 8 Leute, die sich halt irgendwie einigen müssen.
Mittlerweile wird in einigen Kreisen laut über eine Gesetzesänderung nachgedacht, weil das Geschworenensystem nicht mehr zeitgemäß sei. Was genau zeitgemäßer wäre hat sich noch nicht herauskristallisiert. Und daß die Richter in Österreich unabhängig sind ist zwar ein Fakt, sagt aber über deren Unbestechlichkeit rein gar nichts aus. Aber gut, ein gewisses Faible für Anlaßgesetzgebung ist ja relativ weit verbreitet.
Im Endeffekt entspricht das Urteil dem Gerechtigkeitsempfinden: Der Täter wird wahrscheinlich nie wieder frei herumlaufen dürfen. Ob er jetzt zurechnungsfähig ist oder nicht, macht da nicht viel Unterschied. Für den Kiebitzer zumindest, aber der ist ja auch nur ein Laie.