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Aus dem Käfig in den Käfig

NiederösterreichSeit Anfang diesen Jahres ist in Österreich die Käfighaltung von Legehennen verboten, nach einer Übergangsfrist von immerhin 15 Jahren. Dieser Tage wurde doch glatt ein Eierproduzent angezeigt, weil seine Hennen immer noch in Käfigen leben. Offensichtlich sind 15 Jahre nicht lang genug, um sich auf neue Gegebenheiten einzustellen.

Soviel zum Thema man müsste den Wirtschaftstreibenden doch nur genügend Anreize geben, sie würden dann schon freiwillig das Richtige tun. Ein besseres Gegenbeispiel hätte man nicht finden können. Mit Dank nach Niederösterreich!

Die Zurückgetretenen: Landbauer und Schrott

TirolUdo Landbauer ist wieder da! Die Ermittlungen zur “Liederbuchaffäre” haben nicht schlüssig gezeigt, daß Landbauer von den Naziparolen gewußt hat, also sieht er sich selbst – und die FPÖ tut das natürlich auch – für völlig rehabilitiert und keinen Grund mehr, dem niederösterreichischen Landtag weiter fern zu bleiben. Sein Mandat wird ihm zurückerstattet, und er darf weiterhin – und in aller Unschuld – Landespolitik betreiben.

Was hat man auch anderes erwartet, derartiges kennt man ja zur Genüge. Allerdings hat man selten einen so schönen und direkten Vergleich wie dieser Tage. Es stellt sich nämlich die Frage was der Koalitionspartner in einem ähnlich gelagerten Fall so anstellen wird:

Gut, in der Causa Dominik Schrott geht es nicht um Naziverherrlichung, sondern um Freunderlwirtschaft, aber es hat halt jede Partei ihre Fachgebiete. Die ersten Vorwürfe – die über die getürkten Gewinnspiele auf Facebook – konnte Schrott noch abwehren, wohl auch, weil er dem unmittelbaren Dunstkreis unseres Kanzlers angehört.

Dann gibt es aber noch die zweite Geschichte mit der App die (anscheinend) nichts kann für einen Verein der (anscheinend) nichts tut und für die ein Bekannter Schrotts trotzdem 24.000 EUR bekommen hat (über Umwege durch eine Landesförderung). Die hat dem guten Schrott nach langem Hin- und Her und ausgedehntem Schweigen von Kurz doch noch das Tiroler Mandat gekostet. Schrott ist von allen öffentlichen Funktionen zurückgetreten.

Fragt sich für wie lange. Eine Prüfung der Förderung wurde eingeleitet (und wäre sowieso mit Ende September nötig gewesen), aber so etwas dauert ja nicht ewig. Und wenn nichts Ordentliches dabei herauskommt, und sich Schrott rehabilitiert fühlt – und die ÖVP natürlich auch – steht einer Rückkehr in die Tiroler Landespolitik nichts im Wege.

Sollte die ÖVP nicht wissen, wie man das öffentliche Interesse zukünftig von derartigen Affären ablenkt – einfach den Koalitionspartner fragen! Der hat ausgiebige Erfahrungen mit derartigen Einzelfällen.

Zwei Reaktionszeiten

NiederösterreichDie Affäre um das früher nationalsozialistische, heute geschwärzte Liederbuch der Burschenschaft Germania hat zwei Höhepunkte erreicht:

  1. Udo Landbauer, Spitzenkandidat der FPÖ bei der Wahl in Niederösterreich, ist von allen politischen Ämtern zurückgetreten. Endlich. Nach 7 Tagen. Unter Aufatmen von Mikl-Leitner, van der Bellen und der linken Reichshälfte ganz allgemein. Unter Bedauern von Udo Landbauer selbst, der leider nicht so viel ausgehalten hat wie er von anderen fordert, und natürlich keine Ahnung von nichts hatte (und immer noch nicht hat) und nicht einmal singen kann er, der arme Kerl. Und natürlich unter großem Applaus der FPÖ, die Landbauer jetzt natürlich als Märtyrer für die Sache (die braune??) hochstilisiert und ihn natürlich als unschuldiges Opfer einer bösen Medienkampagne hinstellt. So wie die anderen bedauerlichen Einzelfälle halt. Und außerdem hält ihm die FPÖ die Tür für eine künftige Rückkehr in die Politik offen. So wie für die anderen bedauerlichen Einzelfälle halt.
  2. Nachdem bekannt wurde, daß ein ehemaliger SPÖ Funktionär das obige Liederbuch illustriert hat, wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Innerhalb von 2 Tagen. Das ging so schnell, daß die bei derartigen Anlässen obligat Empörten mit dem nach Luft schnappen noch nicht fertig waren – den üblichen Redeschwall à la “Das geht doch nicht, da muß man doch…” haben die sich gleich sparen können.

Zwei Parteien.
Zwei braungescheckte Einzelfälle.
Zwei Reaktionszeiten.
Aber nur eine Regierungsbeteiligung.

Das wäre nicht das Problem, gäbe es nicht auch zwei völlig unterschiedliche Reaktionen…

Spitzenpositionen

NiederösterreichIrgendetwas muß seit dem Jahreswechsel in der Luft liegen – in den letzten paar Wochen kracht und rumort es in Österreich wie schon lange nicht mehr. Die neueste Meldung kommt aus Niederösterreich: Erwin Pröll mag nimmer und tritt zurück. Und das nach 25 Jahren als Spitze im Land, wer hätte das gedacht! Natürlich steht die Nachfolgerin Mikl-Leitner schon Gewehr bei Fuß, na, eigentlich tut sie das eh schon seit sie aus Wien heimbeordert wurde und Mitterlehner verdammt alt ausgeschaut hat.

Apropos alt: Pröll meint, mit 71 Jahren hätte er das Pensionsalter lange genug hinausgezögert. In der Politik ist das zwar normalerweise kein Hindernis, aber wenn er das so sagt, dann wird’s schon stimmen. Natürlich hat Prölls Rücktritt nichts mit dem Bericht über siene landesfinanzierte Privatstiftung zu tun – auf solche Gedanken können bloß böse Kiebitzer kommen…

Wie dem auch sei, Prölls Rücktritt schlägt Wellen. Auch wenn Mikl-Leitner eher konservativ ist, ganz so unverrückbar stur wie Pröll kann sie gar nicht sein. Und obwohl er der Partei nicht völlig abhanden kommen wird, wird sein Einfluß auf die Bundespartei und -politik merkbar sinken. Dh. mit ein bißchen Glück und Fingerspitzengefühl könnte Mitterlehner die Partei zu seiner machen und ein paar längst nötige Veränderungen durchsetzen.

Genau das versucht gerade Michael Häupl in Wien. Immerhin auch schon seit 23 Jahren Bürgermeister, scheint er einen geordneten Rückzug vorzubereiten. Wenn er auch zum Silbernen Jubiläum aufhören möchte, dann hat er noch zwei Jahre Zeit dafür.

Den Kiebitzer freuen beide Abgänge – sowohl Pröll als auch Häupl haben das letzte Vierteljahrhundert in Österreich geprägt und mitbestimmt, aber schön langsam wird es Zeit für etwas Neues. Zwar heißt es “was Besseres kommt nicht nach”, aber der Kiebitzer als alter Optimist hält sich lieber an “die Hoffnung stirbt zuletzt”.

Recht

Als verurteilter Verbrecher kommt man ins Gefängnis.
Recht so.
Dort sitzt man seine Strafe ab und wird, gelegentlich auch vorzeitig, danach entlassen. Recht so.

Es sei denn, man ist geistig abnorm, weil dann kann man durchaus länger einsitzen, wenn man nach wie vor eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt.
Recht so? Schwer zu sagen, die Entscheidung wie derartig gefährliche Menschen besser betreut werden – von Leuten mit Ahnung von Gewalt aber nicht von Psychiatrie oder doch lieber umgekehrt – ist wahrscheinlich nicht einfach, nicht einmal von Fall zu Fall.

Ganz und gar nicht Recht ist es aber, Leute in eine Zelle zu sperren und sich um diese dann nicht mehr zu kümmern, und das gerade einmal mit der lapidaren Aussage “Der will sich ja nicht helfen lassen” zu begründen. Es kann nicht angehen, Menschen die man betreut einfach völlig verwahrlosen zu lassen, über Monate hinweg, so wie es in Stein passiert ist. Irgendjemand muss irgendetwas gemerkt haben – Beamte, Putzbrigade, Mithäftlinge… – starker Verwesungsgeruch bildet sich auch in einem geschlossenen Raum nicht über Nacht. Natürlich ist die Grenze zwischen Selbstbestimmung und Zwang dünn und fließend, aber es gibt Möglichkeiten und erprobte Methoden frühzeitig lenkend einzugreifen – schließlich ist das in jedem Altersheim ein Thema.

Wieder einmal ist nichts passiert, wieder einmal wurde weggeschaut bis es zu spät war, wieder einmal wurde anscheinend versucht die Sache zu vertuschen; der Dienstweg ins Ministerium führt wahrscheinlich selten über irgendwelche Zeitungen, aber gut, der Kiebitzer kennt sich da nicht so aus.

Klarerweise muß man nicht gleich bei jeder brennenden Zigarette die Feuerwehr anrücken lassen, und wie gesagt, die Grenze ist fließend. Der Kiebitzer kann sich des Eindrucks allerdings nicht erwehren, daß es bei Häftlingen, besonders bei Schwerverbrechern, darüber hinaus noch den Hang zum “Der hat verdient was er kriegt” induzierten Wegschauen gibt. Irgendwo ist das auch verständlich.

Recht ist es aber nicht.

Kommunion

Im Niederösterreichischen Landesschulrat geht es gerade drunter und drüber. Da werden Briefe geschrieben, Meinungen von sich gegeben, mit anderslautenden Rechtsmeinungen widersprochen, hohe Beamte wegen Vertrauensverlustes versetzt, und am Ende wird sogar prozessiert.

Worum geht’s? Um religiöse Lieder, die zwecks anstehender Erstkommunion im Musikunterricht einstudiert werden. Mit einer Beschwerde konfessionsloser Eltern wurde die Sache losgetreten. Der Landesschulratspräsident Helm sagt es passe eh alles so wie es ist. Der zuständige Jurist Freudensprung verweist auf die geltenden Gesetze und erklärt seinem Chef, daß das eben nicht so passt. Worauf Helm beleidigt ist, und Freudensprung das Vertrauen entzieht – und den Posten gleich dazu.

Das ist so unglaublich, das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Da gibt jemand eine Meinung ab, wird von jemandem der es besser weiß korrigiert und letzterer wird abgesägt, wohl nicht aufgrund falscher Meinungen sondern aufgrund der vorherrschenden Hierarchien, die um Gottes willen nicht anzutasten sind, wurscht was das Gesetz wirklich sagt. Das ist ja fast so, als würde ein Mercedes bei Rot über die Ampel fahren, ein Radfahrer schreit “So nicht!”, worauf der Fahrer aussteigt, und den Radler nicht nur anschnauzt sondern ihm auch noch das Rad wegnimmt. Und die Polizei schaut zu; im zuständigen Ministerium meditiert man bis dato noch ob und wie man die Sache am besten totschweigen kann; Rücktrittskultur gibt es in Österreich halt keine (aber das ist ein anderes Thema).

Also nochmal, für alle die nicht aufgepaßt haben: Österreich ist ein säkularer Staat, d. h.: Trennung von Staat und Kirche. Auf dem Papier zumindest. Daß das nach wie vor nicht bis in alle Ebenen durchgetröpfelt ist, sieht man an den leidigen “Kreuz im Klassenzimmer” Debatten genauso wie an Diskussionen wie der obigen. Diese Sachen werden meistens mit einem lapidaren “Das war immer schon so” abgetan, was der Kiebitzer als Argument für genau gar nichts gelten läßt – wäre die Menschheit doch in so einem Fall niemals von den Bäumen gestiegen. Das zweite Argument, das immer zur Verteidigung des Status Quo herhalten muß, ist die Abendländische Kultur und deren bevorstehender Untergang, sollte man religiöse Liedchen nur mehr im Religionsunterricht trällern dürfen, zum Beispiel. Daß genau dieses Argument häufig von Leuten kommt, die weder mit Abendland noch mit Kultur so wahnsinnig viel am Hut haben – auch wenn sie aus selbigem dann noch Händel, Bach und dergleichen hervorzaubern – sei nur am Rande erwähnt weil nicht wirklich wesentlich.

Dabei wäre die Lösung des Problems doch so einfach: Religionsunterricht verpflichtend machen, ihn auf eine Stunde pro Woche kürzen, und ihn endlich auf ordentliche Beine stellen – konfessionslose, nämlich. Daß es dabei in der Volksschule hauptsächlich ums Christentum geht, ist schon in Ordnung, ist ja tatsächlich die Grundlage unserer Kultur, aber es täte der Sache schon gut, sie entsprechend sachlich abzuhandeln, ohne Hölle, “aber sonst!” Drohungen und die Ausgrenzung zufällig anders- oder gar nicht Denkender. Die Lehrer sind vom Staat zu stellen, selbstverständlich unabhängig von irgendwelchen Religionsgemeinschaften – wenn die wirklich um ihre Schäfchen fürchten, können die sich ja außerhalb der Schulzeiten um dieselben bemühen. In höheren Schulstufen kann man dann andere Religionen und Weltanschauungen vorstellen; Toleranz, Ethik, Philosophie,… wären auch nicht völlig fehl am Platze. Mit der eingesparten Stunde wüßte der Kiebitzer auch einiges anzufangen: Förderung von Logik und selbständigem Denken und Arbeiten, Politische Bildung, ordentlicher Projektunterricht,… die Liste wäre endlos.

Konkordat sei Dank wird’s das zumindest kurz- und mittelfristig nicht spielen, aber man wird ja wohl noch träumen dürfen.