Fortbewegung auf Österreichisch

Leider war der Kiebitzer in letzter Zeit umzugs- und berufsbedingt sehr wenig online. Entschuldigung. Jetzt kämpft er sich durch die Zeitungsartikel der letzten Zeit und versucht herauszufinden was an der Steuerreform der große Wurf sein soll…

Und so nebenbei fällt ihm auf, daß Österreichs Zeitungsredaktionen offensichtlich immer mehr von Schreiberlingen deutscher Provenienz assimiliert werden. Ein Zeichen dafür ist die inflationäre Verwendung des Begriffs laufen für Fortbewegung im Alltag, etwas was keinem gelernten Österreicher jemals einfallen würde und den Kiebitzer in seiner Zeit im Nachbarland unglaublich genervt hat.

Der Kiebitzer ist sich jedoch nicht zu schade, hier den Bildungsauftrag zu übernehmen, und gibt im folgenden gerne eine

Begriffserklärung für Zuagroaste

Es gibt eine große Anzahl von Wörtern die man verwenden kann, um die zielgerichtete, zu Fuß stattfindende Bewegung eines Menschen zu bezeichnen: marschieren, schreiten, stolzieren, trippeln, spazieren, promenieren, wandern, etc. sind nur einige wenige Begriffe, derer man sich bedienen kann, angepaßt an die jeweilige Situation. Die beiden Begriffe, die umgangssprachlich hauptsächlich verwendet werden sind jedoch das Gehen und das Laufen. Welchen der beiden man verwendet hängt von Örtlichkeiten ab. Im folgenden bezieht sich der Kiebitzer selbstverständlich auf Österreich.

Der Österreicher läuft nirgendwo hin. Niemals. Der Begriff laufen (lief – gelaufen) bedeutet für den Österreicher eine gewisse körperliche Verausgabung, die ihm im Alltag zutiefst zuwider ist. Seiner tiefen inneren Ruhe und Gelassenheit Ausdruck verleihend – und auch aus einem gewissen Anstandsgefühl heraus – wird der Österreicher immer irgendwohin gehen (ging – gegangen), selbst auf die Gefahr hin, dann zu spät zu kommen. Aus diesem Grund gibt es schließlich das akademische Viertel. Beispiel: “I geh’ in die Orbeit.”

Sollte sich der Österreicher aus verschiedenen Gründen dafür entscheiden, ein Hilfsmittel zur Fortbewegung in Anspruch zu nehmen – im Normalfall ein Auto – so nennt man das fahren (fuhr – gefahren). Dennoch bemerke man, daß der hauptsächliche Modus des sich im Ortswechsel befindlichen Österreichers nach wie vor das Gehen ist, und es auch gerne im übertragenen Sinne verwendet wird. In Wien geht man beispielsweise ins Theater, auch wenn man nur die paar Meter zur und von der Tramwayhaltestelle so zurücklegt. Der Österreicher geht zum Wirten, zur Buschenschank oder zum Heurigen, auch wenn er sich im Hinblick auf den Rückweg aus Sicherheitsgründen eines Fahrrades bedient. Nochmals: Der Österreicher wird immer irgendwohin gehen und niemals dorthin laufen.

Die einzige Möglichkeit, einen Österreicher laufend anzutreffen, ist während der Ausübung einer sportlichen Tätigkeit. Das wird dann gerne entsprechend vorbereitet und selbstverständlich durch das Tragen entsprechender Kleidung angedeutet, damit auch für den zufällig getroffenen Bekannten völlig klar ist, daß es hier etwas zu würdigen gibt. Beispiel: “Jedn Tog umma sechse tua i a Stund lafn.” Nochmals: Sport ist die einzige Ausnahme von obigem Naturgesetz.

Natürlich kann es in extremen Ausnahmefällen durchaus vorkommen, daß sich der Österreicher quasi gezwungen sieht einen – meist relativ kurzen – Weg von A nach B mit erhöhter Geschwindigkeit zu beschreiten. Jedoch wird auch hier der Österreicher niemals, niemals laufen. In absoluten Notfällen – so selten sie auch auftreten mögen – wird der Österreicher rennen (rannte – gerannt). Aufs Klo, beispielsweise. Das kommt schon einmal vor.