Seit Sebastian Kurz am 19. Mai mit seiner ersten Rede zu #ibizagate vor die Öffentlichkeit getreten ist, betreibt er bereits Wahlkampf für September. Nicht für die ÖVP, egal ob schwarz oder türkis. Für sich selbst.
Gezählte 34 Mal hat er in obiger Rede am Samstag das Wort “ich” verwendet. Und er hat sich seit dem auch nicht zurückgehalten, den großen Heilsbringer zu mimen. Mittlerweile wissen wir, wie großartig doch die inhaltliche Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner FPÖ war. Und wieviel er weitergebracht hat für Österreich in den letzten 17 Monaten. Wir wissen nun auch endlich, wie schmerzhaft für ihn die Aussagen diverser FPÖ “Einzelfälle” waren, und wie schwer es für ihn war, das alles hinunterzuschlucken, bis am Ende die rote Linie dann doch überschritten war, usw. usf.
Kein Wort darüber, daß die ÖVP seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten Stammplätze auf der Regierungsbank besetzt hatte. Weil, das war ja nicht “seine”, die türkise, ÖVP. Kein Wort darüber, daß er von allen Seiten und sogar der Geschichte gewarnt wurde, daß die FPÖ keinen guten Partner abgibt. Weil, er hatte ja keine andere Wahl damals. Kein Wort darüber, daß ihm sein Regierungsstil des “Drüberfahrens” keine großen Verhandlungsspielräume mit der Opposition gelassen hat. Weil, die waren ja von Anfang an gegen ihn.
Morgen steht also ein Mißtrauensantrag gegen Kurz auf der Tagesordnung. Das wirklich Interessante ist, was Kurz bereits jetzt daraus macht. Nachdem SPÖ und FPÖ immer noch überlegen, ob sie den Mißtrauensantrag unterstützen sollen, sieht Kurz schon eine ganz andere Katastrophe am Horizont: Eine rot-blaue Koalition falls sie das gemeinsam tun.
Warum das so eine Katastrophe wäre? Schließlich ist Kurz ja selber eine Koalition mit der FPÖ eingegangen? Ja schon, aber da stand auch ein Bundeskanzler vom Kaliber eines Sebastian Kurz an der Spitze. Nur eine Lichtgestalt wie er kann die FPÖ zähmen, wenn jemand anderer den Blauen zu nahe kommt ist das ein persönlicher Affront gegen ihn. Und daß es langfristig halt doch nicht funktioniert hat – wie gesagt, das war definitiv nicht der Fehler von Kurz.
Kurz is bad news! Aus sicherer Ferne sieht der Kiebitzer zu und fühlt sich hervorragend unterhalten. Man sieht nur sehr selten einen Egozentriker derart öffentlich seine Fäden spinnen. Wir werden sehen wie es morgen nachmittag nach dem Mißtrauensantrag weitergeht mit Österreich. Daß Kurz als Selbstdarsteller par excellence so weitermacht wie bisher, ist anzunehmen. Notfalls halt mit einem noch größeren Schuß an Märtyrerromantik.