Lieber ganz weg!

ReligionIn Österreich gehen die Uhren anders – etwas langsamer, behäbiger als anderswo. Während die ganze Welt schon auf den Beinen ist um sich die neueste Parade des “was so alles machbar ist” anzuschauen und sich ihr vielleicht sogar anzuschließen, sitzt Österreich noch gemütlich zu Hause, blinzelt gelegentlich aus dem Fenster und macht eine abschätzige Bemerkung über das “Sauaustreiben”. Wenn Österreich es doch irgendwann schafft nach draußen zu gehen, hat die Parade schon längst den Ort verlassen, und man kann sich nur mehr anschauen was die anderen so mitgebracht haben – mit ein bißchen Glück gibt es noch Restposten zum halben Preis.

So oder so ähnlich muß es sich angefühlt haben, als die Kopftuchdebatte in Österreich angekommen ist. Vielerorts schon durchgekaut, müßte man sich eigentlich nur mehr nach einer passenden Lösung umschauen und die einfach umsetzen. Kein weiterer Geistesblitz erforderlich. Aber Österreich wäre nicht dasselbe, würde es nicht doch irgendwie schon sein eigenes Supperl kochen wollen.

Wieder einmal tut sich unser Integrations (!) minister Kurz mit einer Wortspende hervor und fordert ein Kopftuchverbot für öffentlich Bedienstete. Der Vorschlag schein auf relativ breite Zustimmung zu stoßen, in der Regierung zumindest, und ehrlich gesagt, der Kiebitzer könnte der Sache durchaus etwas abgewinnen. KÖNNTE. Eben halt nur fast, weil das dem Kiebitzer nicht weit genug geht. Kurz hat anscheinend sogar das Wort “Säkularismus” bemüht, im gleichen Atemzug allerdings das Kreuz das nach wie vor in Schulen und Gerichtssälen hängt zu “unserer Heimatkultur” und damit als sakrosankt erklärt.

Seufz.

Also nocheinmal, sehr geehrter Herr Kurz und alle jene Konsorten, die ihm da unreflektiert zustimmen: Säkularismus heißt strikte Trennung von Staat und Religion. Jeglicher Religion, nämlich, und nicht nur jener die uns gerade nicht in den Kram passen und wo wir nicht wissen wie uns dagegen wehren. Jede Religion, unabhängig davon ob Islam, Judentum, oder Animismus genannt, oder mit dem Deckmäntelchen der “Kultur” behängt. (Randnotiz: Die ganze Kopftuch- und Verschleierungsgeschichte ist weniger islamische Vorschrift als vielmehr arabische Kultur…)

Man kann Säkularismus auch definieren als keine staatliche Bevorzugung irgendeiner Religion, sondern strikte Gleichbehandlung. Und da wird’s haarig. Weil dann reden wir nicht mehr von ein paar Kreuzen und Kopftüchern, dann reden wir über Religionsunterricht, über die steuerliche Absetzbarkeit von Kirchensteuern, über das Konkordat. Und dafür fehlt den Österreichern das Rückgrat, das hat der Kiebitzer andernorts schon öfter erwähnt.

Es gibt natürlich noch das andere Extrem das Problem zu lösen: Entweder keiner – oder alle. Und obwohl man im letzteren Fall hoffen könnte, daß sich die diversen Gruppierungen in verschiedenen Scharmützeln gegenseitig auslöschen, ist das eher unwahrscheinlich: Schließlich gab es zum Kopftuchverbot einen Schulterschluß zwischen Juden und Muslimen, gemäßigteren wohl auf beiden Seiten, aber trotzdem. Wenn man sich als gemeinsames Kulturgut aus dem Nahen Osten die Unterdrückung der Frau auf die Fahnen schreibt, kann man sich durchaus kurzfristig mit einem Rivalen um die Macht verbünden.

Ganz ehrlich: Dann schon lieber ganz weg.