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Aus für den “politischen” Islam?

RegierungAm Freitag in aller Herrgottsfrühe um 8 Uhr hat unsere Regierung der Antiislamrhetorik die ersten Taten folgen lassen: 7 Moscheen (4 in Wien, je 1 in Klagenfurt, Linz und Wels) werden geschlossen und 62 Imame, aus der Türkei stammend, werden ausgewiesen. Für Fans der Regierung hört sich das sicherlich ganz wunderbar an, zumal man andeutet, erst am Anfang zu stehen, und Innenminister Kickl schon von einer weiteren Verschärfung der Bestimmungen spricht.

Ob die Sache allerdings wirklich der große Wurf ist, als der er angepriesen wird, ist fraglich. Zuerst einmal, weil sich diese erste Aktion hauptsächlich auf formalrechtliche Verfehlungen bezieht. Den 62 türkischen Imamen wird bespielsweise vorgeworfen, aus dem Ausland finanziert zu werden, was ein eindeutiger Verstoß gegen das Islamgesetz ist, aber nicht notwendigerweise eine radikale Gesinnung bedeutet. Um die geht es nämlich (noch) gar nicht, diese wird auch wesentlich schwieriger zu beweisen sein – angeblich steht die Hälfte aller Moscheen in Österreich auf einer einschlägigen Liste des Verfassungsschutzes.

Auch ist der angebliche Fokus auf den sogenannten “politischen” Islam ziemlich lächerlich. Natürlich glaubt die Regierung, damit die Religionsfreiheit nicht anzutasten, aber streng genommen gibt es keinen unpolitischen Islam. Schon das Wort selbst bedeutet “Unterwerfung”, und viele Muslime, egal, wo sie sich selbst auf der Radikalenskala einstufen würden, sehen das auch genau so, Anwendung der Scharia selbstverständlich inklusive. Eine Verdrängung der wirklich radikalen Kräfte in den Untergrund ohne eine gleichzeitige Stärkung der säkularen Muslime voranzutreiben ist kontraproduktiv.

Die ersten negativen Stimmen kamen auch postwendend – natürlich aus der Türkei. Erdogan, mitten im Wahlkampf, sieht einen “Angriff auf muslimische Gemeinden” und eine “islamophobe, rassistische und diskriminierende Welle” durch Österreich ziehen. Bleibt zu hoffen, daß diese Art der Rhetorik aus der Türkei keine Taten in Österreich nach sich zieht.

Lieber ganz weg!

ReligionIn Österreich gehen die Uhren anders – etwas langsamer, behäbiger als anderswo. Während die ganze Welt schon auf den Beinen ist um sich die neueste Parade des “was so alles machbar ist” anzuschauen und sich ihr vielleicht sogar anzuschließen, sitzt Österreich noch gemütlich zu Hause, blinzelt gelegentlich aus dem Fenster und macht eine abschätzige Bemerkung über das “Sauaustreiben”. Wenn Österreich es doch irgendwann schafft nach draußen zu gehen, hat die Parade schon längst den Ort verlassen, und man kann sich nur mehr anschauen was die anderen so mitgebracht haben – mit ein bißchen Glück gibt es noch Restposten zum halben Preis.

So oder so ähnlich muß es sich angefühlt haben, als die Kopftuchdebatte in Österreich angekommen ist. Vielerorts schon durchgekaut, müßte man sich eigentlich nur mehr nach einer passenden Lösung umschauen und die einfach umsetzen. Kein weiterer Geistesblitz erforderlich. Aber Österreich wäre nicht dasselbe, würde es nicht doch irgendwie schon sein eigenes Supperl kochen wollen.

Wieder einmal tut sich unser Integrations (!) minister Kurz mit einer Wortspende hervor und fordert ein Kopftuchverbot für öffentlich Bedienstete. Der Vorschlag schein auf relativ breite Zustimmung zu stoßen, in der Regierung zumindest, und ehrlich gesagt, der Kiebitzer könnte der Sache durchaus etwas abgewinnen. KÖNNTE. Eben halt nur fast, weil das dem Kiebitzer nicht weit genug geht. Kurz hat anscheinend sogar das Wort “Säkularismus” bemüht, im gleichen Atemzug allerdings das Kreuz das nach wie vor in Schulen und Gerichtssälen hängt zu “unserer Heimatkultur” und damit als sakrosankt erklärt.

Seufz.

Also nocheinmal, sehr geehrter Herr Kurz und alle jene Konsorten, die ihm da unreflektiert zustimmen: Säkularismus heißt strikte Trennung von Staat und Religion. Jeglicher Religion, nämlich, und nicht nur jener die uns gerade nicht in den Kram passen und wo wir nicht wissen wie uns dagegen wehren. Jede Religion, unabhängig davon ob Islam, Judentum, oder Animismus genannt, oder mit dem Deckmäntelchen der “Kultur” behängt. (Randnotiz: Die ganze Kopftuch- und Verschleierungsgeschichte ist weniger islamische Vorschrift als vielmehr arabische Kultur…)

Man kann Säkularismus auch definieren als keine staatliche Bevorzugung irgendeiner Religion, sondern strikte Gleichbehandlung. Und da wird’s haarig. Weil dann reden wir nicht mehr von ein paar Kreuzen und Kopftüchern, dann reden wir über Religionsunterricht, über die steuerliche Absetzbarkeit von Kirchensteuern, über das Konkordat. Und dafür fehlt den Österreichern das Rückgrat, das hat der Kiebitzer andernorts schon öfter erwähnt.

Es gibt natürlich noch das andere Extrem das Problem zu lösen: Entweder keiner – oder alle. Und obwohl man im letzteren Fall hoffen könnte, daß sich die diversen Gruppierungen in verschiedenen Scharmützeln gegenseitig auslöschen, ist das eher unwahrscheinlich: Schließlich gab es zum Kopftuchverbot einen Schulterschluß zwischen Juden und Muslimen, gemäßigteren wohl auf beiden Seiten, aber trotzdem. Wenn man sich als gemeinsames Kulturgut aus dem Nahen Osten die Unterdrückung der Frau auf die Fahnen schreibt, kann man sich durchaus kurzfristig mit einem Rivalen um die Macht verbünden.

Ganz ehrlich: Dann schon lieber ganz weg.