Das zweite Sommergespräch wurde geführt mit Ingrid Felipe, der brandneuen Parteichefin der Grünen. Das hier war anscheinend ihr erstes großes Interview das sie seit der Übernahme der Grünen gegeben hat.
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Über ihre Position in der Partei
Felipe scheint sich nach wie vor eher als Landespolitikerin zu sehen statt als Bundesparteichefin. Zum ersten, weil sie nach wie vor in Tirol lebt und nötigenfalls halt nach Wien pendelt; zum zweiten weil sie sich selbst bis mindestens Februar 2018 den Tirolern im Wort sieht. Das ist wohl auch der Grund warum sie die Drittelung der Parteispitze nicht als Problem betrachtet sondern eher hohe Belastungen in der Politik anprangert. Naja, Spitzenpolitik ist nun einmal ein Managerjob, die waren immer schon “all-in” und sind nicht mit 8-Stunden-Tagen und freien Wochenenden bewältigbar. Ob ein Kompetenzsplitting nicht zu mehr Problemen führt als ihr lieb ist, wird sich zeigen.
Über die Grünen
Es ist Felipe durchaus klar, daß die Grünen in einer Krise stecken und eine Aufholjagd – auf das eigene Ergebnis von 2013, wohlgemerkt – starten müssen. Und sie hat Recht wenn sie sagt, daß sich in den letzten 30 Jahren viel verändert hat, insbesondere die Tatsache, daß die Grünen heute in 6 Landesregierungen sitzen macht etwas mit einer Partei. Doch obwohl sie sagt, daß man die Partei neu aufstellen wird müssen, möchte sie am Prinzip der Basisdemokratie – was im Endeffekt der Grund für die ganze Krise ist – festhalten. Der Kiebitzer versteht das: es gibt der Basis das Gefühl gehört (und gebraucht) zu werden, und wenn das Ergebnis nicht paßt, ignoriert man es einfach, so wie in Wien.
Über das Partei bzw. Wahlprogramm
Leitner hat Recht wenn er sagt, es wäre links noch nie so viel Platz gewesen wie heute. Auf seine wiederholten Fragen nach konkreten Vorschlägen für linke Politik antwortete Felipe allerdings nur mit bekannt-ausgelutschten Worthülsen, die heutzutage jede andere Partei genauso im Mund führt. Wie Mobilitätswende, Klima- und Umweltschutz, und den Wirtschaftsstandort dringenstens zukunftsfit machen, was auch immer daß heißt, beispielsweise. Das Öffiticket für ganz Österreich wäre zwar nicht schlecht, bringt aber Leuten am Land gar nix, wenn am Wochenende kein einziger Bus ins Dorf fährt.
Über Migration
Ähnlich schwammig waren ihre Aussagen zum Thema Migration, insbesondere auf die Frage, was sie denn 2015 konkret anders gemacht hätte. Es ist richtig, daß man Fluchtgründe an der Wurzel bekämpfen muß. Nur, wenn gerade 1 Million Leute vor unserer Grenze stehen, sind Konferenzen zum fairen Handel mit Afrika wahrscheinlich nicht erste Priorität. Es ist auch gut und schön innereuropäisch verhandeln zu wollen, aber wenn die Hälfte der Länder dezidiert “nein” sagt, dann braucht sie immer noch eine zündende Idee das Problem hier und jetzt und vor allen Dingen: selbst zu lösen.
Über Integration
Auf die Frage ob sie die Ängste von Leuten bzgl. Fremder versteht, kam ein sofortiges: Na, net wirklich. Damit macht sie sich genau jener Generalisierung und Pauschalisierung – sowohl der Österreicher als auch der Zuwanderer – schuldig, die sie bei anderen (in der Politik) so verurteilt. Nicht alle Österreicher sind rechte Deppen weil sie Angst haben, nicht alle Zuwanderer sind nette, integrationsfähige Leute. Daß Integration über Bildung läuft ist absolut richtig, aber bei Kindern in der Schule ist das vergleichsweise einfach. Angst und Vorurteile hat man aber eher vor/bei Erwachsenen, wie man die gut integriert wurde Felipe leider nicht gefragt.
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Fazit:
Frau Felipe wirkte etwas aufgesetzt, als hätte sie eine Reihe von Stehsätzen vorab auswendig gelernt. Gut, beim ersten großen Interview mag das noch angehen, aber da ist definitiv noch Luft nach oben. Daß sie die Ängste der Leute bzgl. Migration und Integration mit einem Versteh’ I net abgetan hat, war eindeutig ein Fehler. Vielleicht sollte sie doch den Schritt aus der ländlichen Abgeschiedenheit in die Großstadt wagen und sich die Verhältnisse vor Ort anschauen. Auch wenn 2/3 der Wähler nicht in den Städten wohnen – die Klientel der Grünen tut das sehr wohl. Alles in allem gilt aber “bei den Grünen nichts Neues”, immer die gleichen Aneinanderreihungen der gleichen Worthülsen, aber wenn es konkret wird weicht man aus und beruft sich auf Basisdemokratie.
Tarek Leitner war diese Woche wesentlich angriffiger, er hat versucht mit häufigem Unterbrechen und Nachfragen das Mäandrieren und Ausweichen der Frau Felipe zu unterbinden was ihm mäßig gelungen ist. Die entspannte Atmosphäre, die er letzte Woche so gut aufgebaut hat, hat eindeutig darunter gelitten. Der Kiebitzer ist neugierig was er nächste Woche mit dem HC so anstellt…