Sommergespräch 2017 in Rot: Christian Kern

SPOEBundeskanzler Christian Kern absolvierte das letzte der jährlichen Sommergespräche. Mittlerweile ist er im Politsprech besser geschult, aber immer noch vorwiegend ein No-nonsense Typ.

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Über die (Koalition mit der) FPÖ

Auf die Frage, ob sich eine Koalition mit der Strache FPÖ mit dem Wertekompaß der SPÖ vereinbaren läßt, antwortet Kern mit diversen Koalitionsbedingungen, die damit nicht unmittelbar zusammenhängen. Kern hat schon recht, wenn er sagt, die Ausgrenzung der letzten 30 Jahre hat die FPÖ nur zum Märtyrer gemacht, sonst aber nichts gebracht. Er sagt, er möchte mit allen Parteien reden, die ins Parlament einziehen; aber glaubt er wirklich, daß sich die FPÖ in den nächsten sechs Wochen so weit auf die SPÖ zubewegt, daß sie koalitionsfähig wird? Da hätte sich der Kiebitzer eine deutlichere Aussage (egal in welche Richtung) gewünscht.

Über Flüchtlingspolitik

Zur Migration sagt Kern, daß man die Grenzen schützen muß und daß sich Leute, die hier sind, an unsere Regeln halten müssen, eine ziemliche no-na-net Aussage. Außerdem sieht er die EU in der Pflicht und fordert Solidarität ein. Schönes Wort, was man aber konkret macht, wenn Ungarn und Konsorten weiterhin einfach Nein sagen, läßt er offen. Integration ist auch schön und notwendig, aber auch hier schweigt er sich über Details aus, bzw. wurde nicht einmal gefragt.

Über soziale Gerechtigkeit

Wieder zierte sich Kern, als er gefragt wurde wem man umverteilungstechnisch etwas wegnehmen könnte; ist aber schlußendlich doch bei der Erbschaftssteuer für Vermögen über 1 Mio gelandet. Auf den Einwand Leitners, daß das letztes Mal 2007 bei weitem nicht so viel gebracht hat wie sich Kern das vorstellt, sagt er, daß man es dieses Mal richtig machen würde: Real- statt Einheitswerte für Immobilien und Grund, und, vor allem: Finanzvermögen würden miteinbezogen. Heißt das, die bequeme Regelung “25% Kest deckt alles ab” wird fallen? Und was ist mit vererbten Firmenvermögen, da kommt bald einmal eine Million zusammen… Interessant, daß Kern dem einzigen Vorschlag, der direkt zur Umverteilung betragen würde – das bedingungslose Grundeinkommen – so gar nichts abgewinnen mag, weil Arbeit wichtig wäre für das Selbstwertgefühl. Na, wenn das das einzige ist was jemanden aufrecht hält…

Über die EU

Kern ist offensichtlich ein Fan. Er fordert – zu Recht – Solidarität von allen ein, und möchte die EU und deren Befugnisse sogar ausweiten, Stichwort Sozialsysteme, Arbeitsmigration, Steuersysteme… Grundsätzlich ist der Kiebitzer, als alter Weltenbummler, da durchaus dafür. Allerdings muß man auch sagen, daß die EU besonders in großen Dingen ein eher zahnloser Papiertiger ist. Über Ungarn, Polen und Co. hört man nur mehr in der Flüchtlingsfrage etwas, daß es dort mit freier Meinungsäußerung und Frauenpolitik z.B. ziemlich bergab geht, scheint man schon geschluckt zu haben. Oder die ewige Herumlaviererei wegen des Beitritts der Türkei. Da sollte man Bestehendes nachschärfen oder zumindest durchsetzen bevor man sich an neue Aufgaben wagt.

Über die SPÖ und deren Zukunft

Kern fühlt sich Österreich nach wie vor verpflichtet und möchte wie geplant 10 Jahre in der Politik bleiben. Außerdem bekräftigt er, als Zweiter bei der Wahl in Opposition gehen zu wollen – ob da der Rest der Partei mitspielen wird? Und ob es klug war, sich dermaßen festzulegen? Sicherheitshalber malt er schon einmal den Schwarz-blauen Regierungsteufel an die Wand, damit ja nix schiefgeht.

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Fazit: Ein sehr angenehmes Gespräch. Der Kiebitzer hatte diesmal nicht das Gefühl, daß Kern ausgewichen wäre, oder bei Adam und Eva anfangen mußte um eine Frage (lieber doch nicht) zu beantworten. Nur einmal mußte ihm Leitner aus ersterem Grund ins Wort fallen. Das heißt jetzt nicht, daß Kern alle Fragen brav beantwortet hätte. Besonders bei den Fragen nach der Umverteilung und der FPÖ Koalition hat er sich nobel zurückgehalten, wahrscheinlich weil er weiß, daß Erbschaftssteuern auch bei den kleinen Leuten unbeliebt sind, und er sich bzgl. FPÖ aus wahltaktischen Gründen nicht festlegen wollte. Ob die SPÖ weiterhin den Kanzler stellen wird ist ungewiß. Kern selbst ist sicherlich der richtige Mann für den Job.