Vienna Analytica

RegierungTu felix Austria! Andernorts muß man seine Daten höchstpersönlich an irgendwelche windigen Firmen verteilen (mit Hilfe von Bestellungen, Newsletter Abos, sozialen Medien, sowohl on- als auch offline) damit diese sie fröhlich und zu Höchstpreisen an den Rest der Welt weiterverkaufen können. In Österreich muß man sich derartiges nicht antun – in Österreich muß man nur wohnen und den Rest übernimmt der Staat.

Die Regierung ist nämlich gerade dabei, ein neues Forschungsorganisationsgesetz zu verabschieden, mittels welchem die öffentlichen Datenbanken (Register) für Forscher zugänglich gemacht werden sollen. Das passiert im Zuge des Inkrafttretens der neuen europäischen Datenschutzverordnung am 25. Mai, was insofern interessant ist, als diese eigentlich eine Verschärfung des Datenschutzes, insbesondere für personenbezogene Daten, mit sich bringen soll.

Die zugänglich gemachten Daten sind breit gefächert: sie gehen vom Zentralen Melderegister (Name, Geschlecht, Geburtsdatum, Wohnsitz usw.) über das Personenstandsregister (Geburts- und Sterbedaten, Familienstand) bis hin zu Daten von Finanzamt, AMS und Sozialversicherung, sowie Grund- und Firmenbücher etc. Am schwerwiegendsten ist hier die geplante Weitergabe der ELGA Daten – hauptsächlich deswegen, weil die Einwilligung der Betroffenen in keinem Fall erforderlich ist.

Und wer sind die Forscher, die diese Daten – nach Antrag beim Verkehrsministerium – haben dürfen? Österreichische Unis und FHs, Museen (wie?) und sogar das ZAMG, die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (sprich: die Wettervorhersage – wos?), stehen auf der Liste. Dazu kommen “vom Verkehrsministerium akkreditierte Einrichtungen” – gerne auch kommerziell – sowie Einzelpersonen im In- und Ausland. Insbesondere die letzteren beiden machen dem Kiebitzer Sorgen, sieht es doch danach aus als könnte dann wirklich jeder kommen und die Daten von jedem, der in Österreich lebt, anfordern.

Das Wissenschaftsministerium wiegelt ab, was sollen die auch anderes machen. Im Normalfall würden keine Namen weitergegeben, sondern die Datensätze pseudonymisiert. Weiters ist eine Veröffentlichung der Rohdaten durch die Forscher verboten, und wissenschaftliche Einrichtungen brauchen einen Datenschutzbeauftragten, der die Sicherheit der erhaltenen Daten, na, sicherstellen kann. Um festzustellen wie sinnlos ersteres ist, muß der Kiebitzer nur an den BIFIE Skandal von 2014 erinnern; und wie man von Einzelpersonen einfordern will, sowohl Forscher zu sein und sich gleichzeitig um höchste Datensicherheit zu kümmern, hat sich wohl auch noch keiner im Detail überlegt.

Am meisten zu spreizen scheint es sich bei den hochsensiblen ELGA Daten: Die Gesundheitsministerin ist gegen deren Weitergabe, genauso wie die Ärztekammer. Auf der anderen Seite stehen natürlich die Unis und, interessanterweise, auch die Patientenanwälte. Von letzteren beiden kommen erwartungsgemäß die Totschlagargumente “Wettbewerbsnachteil” und “Wirtschaftsstandort”, die jedem Einspruch schon im Vorfeld den Wind aus den Segeln nehmen.

Für den Kiebitzer am schlimmsten ist allerdings das folgende nonchalante Argument der Befürworter des Gesetzes: Naja, wenn wie die ganzen Sachen schon haben, warum nicht auch nutzen? Wäre ja schade drum! Bleibt zu hoffen, daß Leute mit “Sachen” wie Atombomben, Chemiewaffen und dergleichen nicht auch auf derartig glorreiche Ideen kommen…